10. Januar 2014

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

                                                                                                    -das Bild wurde aufgenommen von

Echte Kunstwerke

Denkbild 10

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Walter Benjamin schreibt in seinem Jahrhundertessay über „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ über den grundlegenden Wandel von Materie und Raum. „Die Kathedrale verlässt ihren Platz, um in dem Studio eines Kunstfreundes Aufnahme zu finden; das Chorwerk, das in einem Saal oder unter freiem Himmel exekutiert wurde, lässt sich in einem Zimmer vernehmen“ schreibt Benjamin. Die Fussballer, die uns auf dem Bild entgegenstrahlen sind im Bild ebenso zeitlos wie der Sieg, den sie errungen haben. Für normale Betrachterinnen hingegen, die keine

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 Ahnung von Fussball haben, könnte es genauso gut die Manschaft von „FC Bayern München“ sein, welche hier in der Kabine jubelt. Sie sehen: Mit dem Vorgang der Bildsetzung wird der empfindlichste Kern menschlicher Wahrnehmung berührt und eigentlich verletzt: Es stellt sich die Frage nach der Echtheit und nach der Authentizität. Als völlige Banausin kann mir jemand das Bild der lustigen Fussballer vorsetzen und irgendwas behaupten. Ich sehe nur das Bild, aber nicht das Damals und Dort. Ich sehe im Bild nur das Hier und Jetzt. Erst bei: „Ach übrigens, das ist ein Foto von Chur 97“, wird das Bild „wahr“. Dies führt mich zur Analyse, dass genau wegen dem „Copy Paste“ von „echten Momenten“, diese – je nach Interpre- tation – völlig unwahr werden können.

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Je echter die Bilder scheinen umso schwieriger wird es mit der Beantwortung der Frage, wie wahr sie denn sind. Puuh, Sie erkennen sofort, dass nicht nur Walter Benjamins Text, sondern auch unsere moderne Welt dadurch sehr kompliziert geworden ist. Was tun? „Sapere Aude“ – „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!“, was nichts anderes heisst als Haltung und Urteilskraft zu bewahren. Auf das Bild bezogen weiss ich deshalb, dass hier Chur 97 jubelt und nicht FC Bayern München, wobei für mich die Ersteren viel erfolgreicher sind als die überbezahlten Stars aus dem Grossen Kanton. Dies hat indessen nichts mehr mit „Copy Paste“ von Kunstwerken und Menschen, sondern mit meiner Lebendigkeit, Urteilskraft und Haltung zu tun.

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