20. Februar 2015

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

 – das Bild wurde aufgenommen von Olivia Item

Wenn Waden Seele machen

Denkbild 35

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Alexander von Humboldt stellte einmal treffend fest, dass für das Verständnis der ganzen Welt eigentlich nur das Spezifische von Bedeutung ist. Wer aber entscheidet darüber, was allgemein und was denn besonders ist? Dem Hirnforscher Gerhard Roth sind solche wissenschaftskritische Haltungen eigentlich fern. Vor mir liegt sein Buch: „Wie das Gehirn Seele macht.“ Roth versucht – fast 400 Seiten lang – gegen den freien Willen des Menschen und gegen die Kraft der Poesie anzukämpfen.

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„Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben“ (Ben Furmann) war schon 1999 – avant la lettre – die Gegenposition zu Roths Buch. Der finnische Psychiater Furmann versuchte zu zeigen, dass Menschen selbst schwere Traumatisierungen mit Hilfe von Kreativität und einem eigen gewählten Narrativ transformieren können. Meiner Ansicht nach ist es weder das Eine noch das Andere, denn sowohl die Materie als auch der Geist verknüpfen sich in Weisen, die sich dem zeitgebundenen Blick oft entziehen. So hätten die Genetiker um die Jahrtausendwende alle Eide geschworen, dass eigentlich die Gene (siehe das „Schwulen-Gen“) für jedes menschliche Verhalten

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verantwortlich sind. Heute weiss man, dass Gene gar nichts tun, wenn sie nicht entsprechend mit Erfahrung korrespondieren. Epigenetik heisst das Fach und das ist dann so, dass selbst 15 Minuten Sport am Tag in der genetischen Information Spuren hinterlassen können, so dass sich diese immer wieder selber neu umschreibt. Wir erschaffen uns also jeden Tag quasi frisch. Deshalb – so im Bild – könnte es durchaus sein, dass die sportlichen Waden, schön eingepackt im Schnee tummelnd, auch Seele machen. Dies natürlich nur, wenn sie zu Menschen gehören, die ebenso gerne erzählen, lachen, singen wie sie rumrennen können. Tröstlicher Gedanke, finden Sie nicht auch?

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