19. Juni 2015

Vom roten Teppich zur Schlachtbank

– das Bild wurde aufgenommen von Yanik Buerkli

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

Der rote Teppich ist hier schön als „Fleischschau“ konzipiert. Diese sind ja mittlerweile vor allem für Menschen mit Menstruationshintergrund sehr beliebt. Nun ist dieses öffentliche Vorführen von Körpern gegen Geld erstaunlicherweise gar nicht so neu, wie man auf ersten Blick meinen könnte. Menschenfleisch hatte schon seit Jahrhunderten seinen ganz besonderen Wert. Dies nicht nur bei den Kannibalen (ist ja klar) sondern – halten Sie sich – bei den Alten Eidgenossen. Die besten Menschenfleischhändler fanden sich in den katholischen Ständen. Zunächst betrieben sie das einträgliche Geschäft mit toten Körperteilen, die sie „Reliquien“ nannten – besser könnte eine erfolgreiche Marke auch heute nicht mehr lanciert werden… Doch bald wurde auch lebendiges Fleisch verhökert…unter dem Begriff „Söldner“.

Schweizer Gardisten führten im 14.-16. Jahrhundert überall Krieg. Sie waren beliebte Handelsware – zuhause wie anderswo. Die Bischöfe, Burger, Gerichtspräsidenten verschacherten dabei regelmässig die Ärmsten unter den Armen…zu einem für die Herren sehr einträglichen Preis. Machen Sie sich auf die Suche in den kantonalen Archiven und Sie entdecken Welten, von den Sie lieber manchmal gar nichts wissen möchten.

Der unkonventionelle Luzerner Historiker Valentin Groebner erzählt in einer seiner Schriften von einem Gerichtsfall Ende des 16. Jahrhunderts in Luzern. Darin musste sich ein Zeitgenosse verantworten, weil er im Wirtshaus die Obrigkeit beleidigt hätte mit dem Satz: Denn wenn der Herr Pfyffer „nicht manchem guttem frommen knecht in Frankrych aberschellmet“ hätte, hätte er nie derartig schöne Schlösser bauen können.„Aberschellmen“ war damals das Wort für das Ausweiden und Weiterverwerten von Tierkadavern, krass nicht?

Der arme Angeklagte wurde also verurteilt, nur weil er das sagte, was offensichtlich war: Wer andere Leut verkauft, ist ein Metzger. Und zwar einer für Menschenfleisch. Wie sehr wünschte ich mir doch so klare Worte im 21. Jahrhundert! Statt von Leih“mutter“ würden wir dann auch „aberschellmen“ der Gebärmütter indischer Frauen reden. Dann wäre der Verkauf einer Niere, meist auch aus Indien, auch keine Organ“spende“ mehr, sondern ein hochpreiswertiges Filetstück eines jungen Menschen – meist ohne Menstruationshintergrund.

Arme Marcia Cross. Als sie elegant über den roten Teppich in Landquart schritt, hatte sie keine Ahnung, welch düstere Gedanken sie mit ihrem Bild beflügeln würde. Doch bei genauerem Hinsehen realisiert man: Der rote Teppich ist nicht so weit von der Schlachtbank entfernt als man dies meint.

Schreibe einen Kommentar