21. November 2014

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

– das Bild wurde aufgenommen von Norbert Waser-Casanova

 

Fruchtgummi, Kuscheltier und Kondensmilch

Denkbild 29

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Der Bär ist aus der Mode gekommen. War unseren Vorfahren der Vergleich:„Es ist besser, einem Bären zu begegnen, dem seine Jungen geraubt wurden als einem Tor in seiner Narretheit“ (Bibel) noch verständlich, würden die Meisten heute eher verständnislos dreinschauen. Dabei herrschte der Bär jahrhundertelang über viele Orte und Städte, die sich mit ihm im Wappen schmückten und zeigten: Wir sind kräftig und gefährlich! Dass ich nicht lache! Heute ist der Bär Fruchtgummi, Kuscheltier und Kondensmilch. Die Bärenstädte haben ihre ehemalig wilde Denkerslust mit einem steril funktioniernden Beamtentum ersetzt.

 

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Der Berserker (Träger des Bärenhemdes) ist mittlerweile ein homogenisierter Schlipsträger, ohne Stärke zwar, dafür mit hinterlistiger Macht ausgerüstet. Das Verschwinden des Bären erzählt viel über die Kräfte, die Sigmund Freud als „Prothesengott“ kennzeichnete.„Meister Petz“ streift verniedlicht durch die Kinderliteratur. Ich weiss noch, wie ich erstaunt war, dass man dem Treiben von „Bruno“mit einer bayrischen Kugel ein brutales Ende bereitete. Mit dem alten Berner Bärengraben aufgewachsen, kannte ich den Bären doch nur als tapsiges Wollknäuel und hatte vergessen, dass ein echter Braunbär nicht einfach spielen, sondern primär fressen will.

 

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Wenn es sein muss, sogar das Vieh der angesiedelten Bauern oder gar deren Kleinkinder. Bayern, Graubünden und Wallis lernten hautnah, dass unberührte Natur zwar Gold wert ist, aber nur, wenn sie handzahm und zivilisiert, höchstens mal kleine Bockssprünge macht, alles am liebsten so, wie wir dies aus den Naturfilmen der BBC kennen. Wenn man aber einmal direkt vor einem Bären steht, selbst wenn er, wie auf dem Bild, nur ausgestopft ist, dann spürt ein archaischer Teil von uns sofort wieder dessen Kraft, Stärke und Wildheit. Tja. Jede Zeit hat ihre Götter. Die des Bären liegt definitiv im Gestern. Und das sagt mehr aus über unsere Zeit als uns manchmal lieb sein kann.

 

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