9. Mai 2014

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

– das Bild wurde aufgenommen von  Olivia Item

 

Anders ticken

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Von Einstein wird erzählt, dass er seine Relativitätstheorie im Berner Tram, Höhe Zytglogge, entwickelt habe. Tagträumend stellte er sich vor, dass sich seine Strassenbahn mit Lichtgeschwindigkeit bewegen könnte mit dem Resultat, dass die Uhr auf dem Turm stehen bleibt während seine eigene Uhr im Tram normal weitertickt. Ob in der Arosabahn im Jahr 2014 ein ebenso grosser Gedanke entstehen könnte, ist fraglich. Denn kreatives Denken ist auf zeitvergessende Tagträume ebenso angewiesen wie der Pizzateig auf Hefe.

 

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Doch heutzutage muss ja alles schnell gehen, da liegt Träumen nicht wirklich mehr drin. Rasender Stillstand ist die Metapher der Moderne. Sie stammt von Paul Virilio. Der Denker der Geschwindigkeiten sah in der Herrschaft über die Zeit mitunter einen wichtigeren Faktor als die Herrschaft über die Menschen. Gewinnen tut dabei immer der Schnellere. Denken Sie nur an die Börse, die eine funktionierende Volkswirtschaft per Mausklick in die monetäre Steinzeit befördern kann; so geschehen beispielsweise in Griechenland. Vor über 220 Jahren befahl Robbespierre als ersten Staatsakt die sofortige Abschaffung des heute noch gültigen Kirchenkalenders.

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Doch schliesslich war es der Guillotine egal, ob sie als Sense der Gleichheit die Köpfe am 9. Thermidor des Jahres II oder 27. Juli 1794 von den dazugehörigen Leibern schnitt. Die Oktoberrevolution 1917 war ein Novemberereignis, was zeigt, dass Politik und Zeit oft seltsame Spiele treiben.„Je mehr Zeit wir sparen, desto weniger haben wir“, steht in Michael Endes Momo und ich überlege mir einen Beitrit zum Verein zur Verzögerung der Zeit. Das Bünderland wäre doch dafür perfekt, denn vom „anders ticken“ wissen die Bündner Menschen sicher mehr als die Berner…

 

 

 

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