29. August 2014

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

– das Bild wurde aufgenommen von Norbert Waser-Casanova

 

Vergängliche Schlagzeilen

Denkbild 24

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Kompost ist doch was Feines. Man wirft alle möglichen Dinge, die man nicht mehr zu brauchen scheint, wie beispielsweise Essensreste und verwelkte Blumen, auf einen grossen Haufen und lässt sie dort verrotten. Am Ende dieses langsamen Prozesses entsteht dann wieder etwas neues: Erde. Erde, die in ihrer Fruchtbarkeit wieder der Beginn eines weiteren Lebenszyklus wird. Was passiert aber, wenn man dem Kompost eine Zeitung hinzufügt? Wird aus dem darin beschriebenen Vergangenen auch eine neue Schlagzeile?

 

 

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Hat die Information eine Chance auf einen ewigen Zyklus? Die Flüchtigkeit unserer Welt offenbart sich täglich in den Papiertonnen, in denen die Zeitungen landen. Bereit recycelt zu werden, verlieren sie aber all ihren Inhalt, sozusagen ihre Nährstoffe, schon meist beim Lesen selbst. Menschliche Schicksale, Kriege und Überschwemmungen ziehen wie die Landschaft an einem Schnellzug vorbei, bleiben allenfalls als verwischte Erinnerung hängen. Die digitale Zeitung dagegen verrottet nie. Sie nistet sich wie ein heim- tückischer Virus in den Adern des Internets ein, bereit, ihre medial tödliche Giftspritzenwirkung

 

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auch noch nach Jahren freizugeben. Jugendsünden via Facebook gepostet, falsch recherchierte und unwahre Behauptungen von Journalisten, unechte Zitate: alles bleibt. Und anders als in der Welt der analogen Medien darf sich der Mensch nicht immer wieder neu erfinden, ist er auf ewig gebunden an seine eigene Vergangenheit, hört er auf ewig sein eigenes Echo. Die verwitternde Zeitung auf unserem Bild ist also nicht nur ein Symbol für die Vergänglichkeit, sondern ebenso für die Chance auf eine neue, unverbrauchte Welt, die ihre Nährstoffe aus der Vergangenheit holt.

 

 

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