10. Oktober 2014

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

– das Bild wurde aufgenommen von Norbert Waser-Casanova

 

Zuhause fremd: Heidi auf arabisch

Denkbild 27

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Der ehemalige Kriegsreporter Carl Just ist mittlerweile friedlich in den Bündner Bergen unterwegs. Dort wanderten ihm die, für diese Landschaft eher ungewöhnlich gekleidete Heidi-Fans auf dem Weg ins Heididörfli ins Bild. Seit Peter Stamms Neubearbeitung von Heidi 2009 auf arabisch erhältlich ist, begeistert das Alpenmädchen auch das Morgenland. Zu orientalischen Klängen und einem Setting à la 1001 Nacht (siehe Youtube) durchlebt das arabische Bergkind die Urängste

 

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kleiner und grosser Menschen: Der Verlust einer Heimat, die immer mehr ist als ihr Boden. Das Heimweh nach Licht und Berge verbindet Heidi und mich. Dass es ausgerechnet Heidi geschafft hat, Weltstar zu werden, passt zur Schweiz. Weil Heidi einfach nur Heidi ist. So hat jede Kultur die Märchen, Mythen und Figuren, die sie verdient. 1001 Nacht beispielsweise brachte den Europäern eine Orientromantik, die als „Porno für die gehobenen Stände“ (Originalton ARD-Redakteur Ulrich Kienzle), bis heute das Verständnis für die arabische Mentalität erschwert. Dabei erzählt gerade Sheherazade präzise von der entsetzlichen Grausamkeit der persischen

 

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 und arabischen Herrscher, vom inhärenten Rassismus und Sexismus – die erste Frau des Wesirs betrog ihn mit „einem schwarzen Sklaven“ – , was die Legitimation für das tägliche Morden von Frauen bot. Die kritische Lesung von 1001 Nacht fehlt ebenso wie die psychologische. Denn wer einmal begriffen hat, dass Minderwertigkeitsgefühle das Schlimmste in Menschen hervorbringen, wird alles daran setzen, das Selbst und nicht einfach das Land, den Glauben oder die Ideologie zu stärken. Ob Heidi oder 10001 Nacht: Die Poesie ist nie so fremd, als dass sie nicht auf der ganzen Welt verstanden werden könnte.

 

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