Über die Metapher vom heilen Haus mit Dach, Fenster, Mauer und Tür
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DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“
Kürzlich titelte eine Zeitung: „Die Roboter kommen! Schaffen die Maschinen den Menschen ab?“ und ich antwortete sofort (ja, ich gebe es zu, ich rede manchmal mit Tageszeitungen, laach): „Nicht die Tatsache, dass Roboter wie Menschen werden, macht mir Angst, sondern dass sich Menschen mehr und mehr wie Automaten benehmen.“ Ist dies nicht paradox? Indem wir Dinge kreieren, die alles wissen, vergessen wir uns selber.
Appropos paradox. Peter Singer, ein übles und übliches Exemplar unter modernen Bioethikern, hätte am diesjährigen Philosophiefestival in Köln über das Thema: „Retten Veganer die Welt?“ sprechen sollen. Peter Singer wurde von den Veranstaltern wieder ausgeladen, was ich völlig daneben finde, da man ihn gar nie hätte einladen dürfen. Der alte Mann vertritt nämlich seit Jahrzehnten die in den Medien gerne veröffentlichte Meinung, dass schwerbehinderte Neugeborene getötet werden sollten, dass man, vor die Wahl gestellt, mehrere Schweine oder ein Kind zu retten, sich immer für die Tiere entscheiden müsse und dass Sterbehilfe generell die effektivste Methode sei, um mit den den Problemen der Überbevölkerung klar zu kommen. Singer ist unter den Befürwortern der PID, über die wir in zwei Tagen abstimmen werden übrigens ein Vordenker und Quasi-Heiliger, was eigentlich schon alles über die Verfassungsänderung sagt.
Der zauberhafte Medienphilosoph Vilém Flusser (1920-1991) erwähnte in diesem Zusammenhang einmal, dass die Metapher vom „heilen Haus mit Dach, Mauer, Fenster und Tür“ für uns moderne Menschen leider nicht mehr gelten darf. Dieses Haus gibt es nicht mehr. „Das Haus von Heute ist nur noch eine Ruine, durch deren Risse der Wind der Kommunikation bläst.“ Wäre doch schön, wenn der „Wind der Kommunikation“ , der durch die Risse weht, sich punkto Reproduktionsindustrie nur als warme Luft, ja als boethische Flatulenz erweist – ein kleines Nein wäre hier die beste Lösung, um den eugenischen Dunst loszuwerden. Und dann machen wir uns doch mit Flusser auf, die Ruine wunderbar neu zu beleben, zu transformieren. Sie sähe dann dem bunten und fröhlichen Lindermanns in „Downtown Arosa“ , hier im Bild, wohl nicht unähnlich. Bitte mehr Farbe also. Überall und jederzeit! Vor allem auch, wenn es um die „Auswahl“ von Menschen geht.