8. Mai 2015

Über das Glück der Nebel von Trimmis

 – das Bild wurde aufgenommen von Theo Gstoehl, Trimmis, 15.02.15, Die Sonne scheint bei Valtanna oberhalb Trimmis durch den Nebel in den Wald.

DENKBILDER Regula Stämpfli über die Bilderflut und „ratternde Algorithmen“

Von allen Sinnen des Menschen ist das Sehen an vorderster Stelle. Wir können damit vermeintliche Feinde erkennen, miteinander kommunizieren und uns in der Welt orientieren. Dinge nicht „richtig“ zu sehen, war für den Menschen schon immer mit dem Gefühl von Verunsicherung und Gefahr verbunden. Die Götter und Monstren bedienten sich zu allen Zeiten des Nebels, um die Sterblichen vor etwas zu schützen oder sie in die Irre zu führen. Nebel zwingt uns also, uns auf andere Sinne als nur auf das Sehen zu verlassen.

Wie meinte schon Janis Joplin weise? „Ein Kopfarbeiter zu sein, schafft viele Fragen, aber keine Antworten. Du kannst Dein Leben mit Gedanken füllen, bleibst aber dennoch allein. Alles, was Du wirklich besitzt und was tatsächlich zählt, sind die Gefühle. So ist die Musik für mich.“ Nur Kopf und Herz machen den Menschen also zum Ganzen, doch dies Erkenntnis scheint Staat und Wissenschaft egal zu sein. Kontrolle, Wissen, Optimierung, Disziplin, Ordnung, Klarheit, Reinheit sind die Gebote der Zeit. In Gesundheits- und Fürsorgeämtern müssen Menschen bis unter die Haut reguliert werden. Dabei hatten wir das doch schon mal, nicht wahr? Wie keine andere Ideologie propagierten die Nationalsozialisten Ordnung, Gesundheit, den reinen Volkskörper, Wissenschaftlichkeit!

Erst diese Vorstellung einer perfekten Ordnung stellte die Basis dar, um Mitmenschen vollkommen, organisiert und durchnummeriert zu vernichten. Allein deshalb sollten Gesundheit, Ordnung und Sauberkeit Begriffe sein, die Jeden skeptisch machen müssen. Denn der Unordnung, der Unsicherheit, der Ambivalenz, dem Nebel eben, haftet etwas zutiefst Menschliches an. Das magische Bild bei Valtanna oberhalb Trimmis erinnert uns alle daran, auch eine Welt zuzulassen, in der man auf Anhieb nicht klar sieht, dafür vielleicht mehr fühlend erkennen kann.

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